Cochrane Reviews / Kommentare

Kapitel 13: Angststörungen

 



Therapie der Agoraphobie und Panikstörung:
 

08.06.2007:  

EBM Einem neuen Review zufolge (Evidenzstufe 1a: Furukawa et al. 2007, Cochrane Review) ist eine Kombinationstherapie von Psychotherapie (in 21 von 23 Studien eine Form der KVT) und Psychopharmakotherapie nur in der akuten Behandlungsphase oder bei anschließender Fortführung der Medikation den beiden jeweiligen Monotherapien - Psychotherapie oder Psychopharmaka - überlegen. Nebenwirkungen führten zu häufigeren Therapieabbrüchen als bei der Mono-KVT. Nach Absetzen der Medikation war die Kombinationsbehandlung zwar der reinen Pharmakotherapie, nicht aber der reinen KVT überlegen. Alleinige KVT oder Kombinationstherapie sind insofern als Verfahren der 1. Wahl zu bewerten. Die Behandlungspräferenzen der Patienten sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden.



Pharmakotherapie der sozialen Phobie:
 

S. 676

„In ihrem qualitätsüberprüften, narrativen Review kommen STRAVINSKY und GREENBERG (1998) zu der Einschätzung, dass MAO-Hemmer, reversible MAO-Hemmer, Benzodiazepine und SSRI gegenüber Placebobedingungen ihre Überlegenheit nachweisen konnten, dass aber diese Behandlungen durch Nebenwirkungen begrenzt werden und die Effekte eher mittelstark seien. Nur in seltenen Fällen werde eine Remission erreicht. Eine pharmakologische Begleitbehandlung (Kombinationstherapie) zeige gegenüber einer rein kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapie bei der sozialen Phobie keine additiven Effekte. Da in diesem Review jedoch keine Metaanalyse durchgeführt wurde und wegen vielfältiger methodischer Probleme (insbesondere fehlende Transparenz bei der Auswahl der Primärstudien betreffend, keine Beurteilung von deren Güte) sehen die CRD Reviewer diese Rückschlüsse jedoch durch empirische Daten nicht ausreichend gedeckt.“

15.11.2004:

EBM Einem neuen Cochrane Review zufolge lassen sich durch Antidepressiva (SSRIs, MAOIs, RIMAs) sozialphobische Symptome und die damit (häufig) assoziierten depressiven Symptome und psychosozialen Beeinträchtigungen mittelfristig wirksam behandeln (Kontrollgruppe: Placebobehandlung), wobei SSRIs von der Wirksamkeit und den Nebenwirkungen her anderen Antidepressiva überlegen waren. Darüber hinaus konnte anhand einer allerdings kleinen Stichprobe auch die Effektivität einer Langzeitbehandlung aufgezeigt werden. (Evidenzstufe 1a: Stein et al., 2004; Cochrane Review). Einschränkend verweisen die Autoren jedoch auf die Möglichkeit eines Publikationsbias.

Kommentar:

Die Metaanalyse stützt die Einschätzung einer eigenständigen Wirksamkeit antidepressiver Substanzen in der Therapie sozialer Angststörungen. Dieser Angst reduzierende Effekt scheint unabhängig von dem Vorliegen eines begleitenden depressiven Syndroms zu sein. Nicht näher spezifiziert wird allerdings, ob dieses gleichermaßen für Patienten mit isolierten und generalisierten Soziophobien gilt. Außerdem wird die Frage einer mittel- und langfristig adäquaten Behandlungsstrategie nicht diskutiert. Da nach dem Absetzen der Pharmakotherapie – wie bei anderen Angststörungen auch - hohe Rezidivraten zu erwarten sind, stellt sich die Frage, wie Pat. lernen können, mit den zumeist seit der Jugendzeit bestehenden Ängsten in zwischenmenschlichen Situationen aktiv anders umzugehen. Anstelle einer pharmakologischen Monotherapie dürfte sich in der Praxis die Frage stellen, wie die primär gewählte medikamentöse Behandlung parallel bzw. sequenziell um psychotherapeutische Verfahren ergänzt wird. Pat. sollten darüber informiert werden, dass neben der Pharmakotherapie nicht medikamentöse Verfahren zur Verfügung stehen, die als empirisch überprüften Therapie ebenfalls anerkannt sind und unter dem Aspekt der Veränderung Angst aufrechterhaltender Faktoren langfristig auf eine Unabhängigkeit von einer professionellen Behandlung abzielen.



Generalisisierte Angststörung (GAD):
 

01.09.2003:

EBM Einem neuen systematischen Review zufolge erwiesen sich Imipramin, Venlafaxin und Paroxetin im Placebovergleich wirksam bei der Reduktion der Angstsymptomatik. Da im Rahmen der Metaanalyse komorbide Patienten ausgeschlossen wurden, basiert dieser bereits mehrfach berichtete Befund nicht - wie bisweilen diskutiert - auf der Reduktion einer begleitenden depressiven Symptomatik (Evidenzstufe 1a: Kapczinski et al., 2003; Cochrane Review).

Kommentar:

In Deutschland sind Paroxetin und Venlafaxin für die Behandlung der GAD zugelassen. Seit langem gelten die trizyklischen Antidepressiva wie Imipramin in niedriger Dosis als Mittel der Wahl für die Behandlung der GAD, was durch diese Metaanalyse bestätigt wird. Die hohe Komorbidität von Generalisierter Angststörung mit depressiver Symptomatik in klinischen Populationen beeinflußt die Sichtweise der Untersucher. Da die Differenzierung von Angst und Depression häufig schwierig ist, wurden vielfach die Angststörungen unter die Depressionen subsumiert und ihre eigenständige Bedeutung nicht anerkannt. Der Review trägt zu einer differentiellen Beurteilung bei und bestätigt zum einen die eigenständige Diagnose GAD wie auch die Rolle von Antidepressiva als wirksame Anxiolytika.



Pharmakotherapie der generalisierten Angststörung:
 

08.06.2007:  

EBM Die medikamentöse Behandlung der GAS mit Azapironen wie Buspiron erwies sich in einer auf 36 RCTs beruhenden Metaanalyse (Therapiedauer zwischen 4 bis 9 Wochen) der Cochrane Collaboration (Evidenzstufe 1a: Chessick et al. 2006, Cochrane Review) als signifikant wirksamer als Placebo. Die Verträglichkeit war gut. Im direkten Vergleich mit Benzodiazepinen waren Azipirone tendenziell weniger wirksam und wurden häufiger vorzeitig abgesetzt. Sichere Schlussfolgerungen aus direkten Wirksamkeitsvergleichen dieser Medikamentengruppe mit Antidepressiva und Psychotherapie konnten nicht gezogen werden. Eine Anwendung wird vor allem für Patienten mit GAS empfohlen, die nicht im Vorfeld bereits mit Benzodiazepinen behandelt worden waren. Da die GAD eine chronisch verlaufende Angststörung ist, sind weiterführende Untersuchungen zu den Langzeit-Effekten dieser Therapieoption gefordert, um ihren Stellenwert in der Behandlung dieser Angststörung genauer bestimmen zu können.



Psychotherapie der generalisierten Angststörung:
 

08.06.2007:  

EBM In einer neuen Cochrane Analyse (Evidenzstufe 1a: Hunot et al. 2007, Cochrane Review) mit 25 Studien zur Psychotherapie der GAS wurde eine KVT Intervention (die aus unterschiedlichen KVT Modulen bestehen konnte) mit anderen psychotherapeutischen Verfahren (12 Studien; psychodynamische Verfahren und supportive Therapien) oder "Treatment as usual (TAU)" bzw. Warteliste (13 Studien) verglichen. KVT war bis zum Ende der Therapie den Patienten der Warteliste oder TAU bezüglich der Angstreduktion, aber auch in Bezug auf eine Verminderung des grüblerischen Sorgens und sekundärer depressiver Beschwerden überlegen. KVT zeigte allerdings sowohl in Anwendung als Gruppentherapie als auch bei älteren Patienten höhere Abbruchraten als TAU. Die Überlegenheit der KVT Verfahren im direkten Vergleich mit anderen Psychotherapieformen konnte nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen werden. Untersuchungen über die Nachhaltigkeit der Therapieeffekte bei dieser chronisch verlaufenden Angststörung stehen noch aus. Auch fehlen Untersuchungen über mögliche Nebenwirkungen der Verfahren. Die Autoren betonen die Notwendigkeit weiterführender vergleichender Studien zwischen KVT und psychodynamischen sowie supportiven Therapieformen bei der GAS..


> zurück zur Übersicht

www.berger-mathias.de

www.dgppn.de