Cochrane Reviews / Kommentare

Kapitel 12: Affektive Störungen

 



Bipolare Störungen: Rezidivprophylaxe:
 

12.03.2007:

EBM Durch psychologische Interventionen (z.B. durch Psychoedukation, kognitive Verhaltenstherapie), die darauf zielen Prodromalsymptome der Erkrankung frühzeitig wahrzunehmen und adäquat darauf zu reagieren, lassen sich stationäre Aufenthalte wirksamer reduzieren als durch ein „treatment as usual“: Signifikante Effekte ergaben sich ferner im Hinblick auf die Dauer krankheitsfreier Intervalle und das verbesserte Funktionsniveau (Evidenzstufe 1a: Morriss et al., 2007, Cochrane Review).



Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe depressiver Störungen:
 

S. 617 ...

"EBM In der Rezidivprophylaxe unipolar depressiver Störungen ist die Wirksamkeit von zwei Medikamentenformen gut empirisch belegt: Antidepressiva und Lithium (Blacker, 1996, qualitätsüberprüfter narrativer Review).

15.12.2006:

EBM Basierend auf acht randomisiert, kontrollierten Studien wurde die Wirksamkeit von Lithium und einer antidepressiven Dauermedikation metaanalytisch evaluiert (Evidenzstufe 1a: Cipriani et al. 2006, Cochrane Review). Lithium und Antidepressiva erwiesen sich bei unipolar depressiven Patienten hinsichtlich Rezidivprophylaxe und drop out Raten als vergleichbar wirksam. Aufgrund der geringen Stichprobengröße lässt sich der phasenprophylaktische Effekt von Lithium im Vergleich zu einer antidepressiven Dauermedikation jedoch nicht abschließend beurteilen. Aufgrund der aktuellen Datenlage empfehlen die Autoren die Wahl der Prophylaxe vom klinischen Verlauf, dem Nebenwirkungsprofil und der vermuteten Medikamentencompliance abhängig zu machen.



Akuttherapie der Manie:
 

11.09.2006:

EBM Im Vergleich zu einer Placebomedikation erwies sich Haloperidol (als Monotherapie und als Zusatzmedikation zu Lithium oder Valproat) wirksamer bei der Behandlung manischer und psychotischer Symptome (Evidenzstufe 1a: Cipriani et al., 2006, Cochrane Review). Zwischen Haloperidol, Olanzapin, Sulpirid und Risperidon ergaben sich keine Unterschiede bez. Responserate und mittlerer Symptomreduktion. Unter Haloperidol traten extrapyramidale und Bewegungsstörungen häufiger auf als unter einer Placebomedikation, Olanzapin, Quetiapin oder Valproat. Unter einer Medikation mit Olanzapin oder Risperidon kam es häufiger zu einer unerwünschten Gewichtszunahme als unter Haloperidol. Die Autoren des Reviews raten deshalb im Hinblick auf das unterschiedliche Nebenwirkungsprofil zu einer sorgfältigen Abwägung von Benefit und Risiko.



Akuttherapie der Depression
- Spezifische Psychotherapeutische Verfahren

 

05.08.2006:

EBM Eheprobleme gelten als Auslöser und als aufrechterhaltende Faktkoren für eine depressive Störung. Einem Cochrane Review zufolge ließ sich die depressive Symptomatik ambulant behandelter depressiver Patienten durch eine Paartherapie (Dauer: 10 bis 20 Wochen) vergleichbar wirksam behandeln wie durch Einzeltherapie, wobei in der Einzel- und in der Paartherapie überwiegend verhaltenstherapeutisch gearbeitet wurde. Auch bezüglich der drop out Raten ergaben sich keine Gruppenunterschiede. Paartherapie erwies sich jedoch im Hinblick auf die Verbesserung der partnerschaftlichen Beziehung einer Einzeltherapie überlegen (Evidenzstufe 1a: Barbato und D’Avanzo, 2006, Cochrane Review). Trotz methodischer Einschränkungen, die sich auf die teilweise geringen Stichprobenumfänge beziehen, empfehlen die Autoren eine Paartherapie, wenn im Rahmen einer depressiven Erkrankung Ehekonflikte als die zentrale Problematik angesehen wird.

Kommentar:

Auf den Nutzen zusätzlicher Paargespräche bei depressiven Episoden, bei denen Paarkonflikte eine auslösende oder aufrechterhaltende Rolle spielen, wurde im Lehrbuch bereits hingewiesen. Die jetzt neu erschienene Cochrane Analyse zeigt nun, dass eine Paartherapie alleine den gleichen therapeutischen Effekt hat wie eine Einzeltherapie. Bei der Entscheidung, ob eine Paartherapie oder eine Einzeltherapie (mit zusätzlichen Paargesprächen) vorzuziehen ist, sollte aber immer die individuelle Problemkonstellation berücksichtigt werden.



Akuttherapie der Manie:
 

05.08.2006:

EBM Risperidon als Monotherapie und in Kombination mit Lithium oder einem Antikonvulsivum erwies sich bei der Behandlung der akuten Manie einer Placebobehandlung überlegen. An Nebenwirkungen traten Gewichtszunahme, Sedierung und eine Erhöhung des Prolactinspiegels auf. Risperidon und Haloperidol waren sowohl als Monotherapie wie auch als Zusatzmedikation zu Lithium oder einem Antikonvulsivum vergleichbar wirksam. Unter Risperidon war die Gewichtszunahme ausgeprägter als unter Haloperidol, extrapyramidale Störungen traten hingegen unter Haloperidol häufiger auf (Evidenzstufe 1a: Rendell et al., 2006, Cochrane Review).

Kommentar:

Risperidon ist inzwischen auch in Deutschland zur Akuttherapie der Manie zugelassen (vgl. die Information unter „Neuzulassungen Psychopharmaka“). Problematisch bei dieser Indikation sind die erhebliche Gewichtszunahme und die Prolaktinerhöhung (sexuelle Funktionsstörungen!), was die bei manischen Patienten ohnehin oft geringe Compliance erheblich verringern können.



Alternative Behandlungsstrategien:
 

04.07.2005:

EBM In einem neuen Cochrane Review (Smith und Hay 2005) wurde die Wirksamkeit von Akupunktur untersucht. 409 Patienten mit leichter bis mittelschwerer Depression wurden mit Akupunktur bzw. einem Antidepressivum (meist Amitryptilin) behandelt. Zwischen den Vergleichsgruppen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede. Aufgrund der geringen Stichprobengröße und den methodischen Unzulänglichkeiten (z.B. die fehlende Verblindung der Beurteiler) lässt sich nach Ansicht der Autoren keine auf zuverlässigen Daten beruhenden Aussage zur Wirksamkeit dieser alternativen Behandlungsstrategie mache.

Kommentar:

Da bei der Akupunktur von nicht unerheblichen Placeboeffekten ausgegangen werden muss, ist die Äquivalenz von zwei derart unterschiedlichen Behandlungsstrategien nicht gewährleistet.



Postpartale Depressionen:
 

27.11.2007: EBM Einem neuen Cochrane Review zufolge lassen sich durch psychosoziale Interventionen („peer support, „counselling“) und durch Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie, interpersonelle Therapie und psychodynamische Verfahren) die depressive Symptomatik wirkungsvoller reduzieren als durch „treatment as usual“ (Evidenzstufe 1a: Dennis und Hodnett, 2007; Cochrane Review). Ob diese positiven Effekte auch den Langzeitverlauf betreffen ist allerdings unklar.
15.11.2004:  

EBM Einem neuen Cochrane Review zufolge lassen sich gegenwärtig keine empirisch gesicherten Empfehlungen für spezifische psychosoziale Interventionen (prä- und postpartale Psychoedukation in der Gruppe, unterstützende Hausbesuche, Debriefing und interpersonelle Psychotherapie) zur Vermeidung postpartaler Depressionen aussprechen (Dennis und Creedy, 2004, Cochrane Review).



Pharmakotherapie:
 

S. 592 ...

"EBM Johanniskraut hat wenig unerwünschte Nebenwirkungen und ist bei einer leichten bis mittelschweren depressiven Symptomatik effektiver als eine Placebobehandlung, wobei in den der Metaanalyse zugrunde liegenden Studien stark divergierende Dosen (zwischen 350 – 1800 mg Extrakt) verordnet wurden, der bisherige Beobachtungszeitraum von maximal 6 Wochen nur Aussagen über den Kurzzeitverlauf ermöglicht und die diagnostische Heterogenität der untersuchten Stichproben diesen Befund beträchtlich einschränkt (Evidenzstufe 1a: Linde und Mulrow, 2002, Cochrane Review).

13.07.2005:

EBM Die empirische Evidenz in Bezug auf die Wirksamkeit von Johanniskrautextrakten ist einer Aktualisierung dieses Reviews zufolge inkonsistent. Bei leicht bis mittelschweren Depressionen (z.B. Hamilton Score zwischen 12 – 18) ist Johanniskraut effektiver als eine Placebobehandlung und vergleichbar wirksam wie synthetische Antidepressiva. In Analysen, die ausschließlich auf Patienten mit einer Major Depression beruhen, ergibt sich eine unklare Befundlage: Im Placebovergleich ergaben sich neueren Studien zufolge nur minimale Effekte für das Verum, im Vergleich mit älteren Studien, in denen Johanniskraut und Antidepressiva verglichen wurden, ergaben sich hingegen vergleichbare Effekte. Diese unklare Befundlage wird von den Autoren (Evidenzstufe 1a. Linde et al. 2005; Cochrane Review) auf eine Überschätzung positiver Johanniskrauteffekte in älteren Studien (z.B. durch eine zwar ausreichende, jedoch im unteren Dosisbereich angesiedelte Medikation synthetischer Antidepressiva) und auf eine möglicherweise verschiedene Wirksamkeit von Johanniskraut in unterschiedlichen Stichproben (z.B. höhere Responseraten bei atypischer, erniedrigte bei melancholischer Depression) zurückgeführt.
Johanniskraut hat weniger unerwünschte Nebenwirkungen als insbesondere ältere Antidepressiva.

Kommentar:

Die in neueren Studien niedrigeren Responseraten werden von den Autoren auf eine unterschiedliche Patientenselektion zurückgeführt. So liegen in den neueren, sich ausschließlich auf Patienten mit einer Major Depression beziehenden Studien, die Ausgangswerte (HAMD) deutlich höher als in den älteren Studien. Aufgrund der erst in der ICD-10 etablierten operationalisierten Diagnosekriterien sind die in den älteren Studien eingeschlossenen Patienten sehr heterogen.
Mindestens zehn der im Johanniskraut enthaltenen Substanzen dürften einen pharmakologischen Effekt aufweisen. Ungeklärt sind die diesen positiven Effekten zugrunde liegenden Wirkmechanismen. Ferner ist von ernstzunehmenden Interaktionen mit anderen Medikamenten auszugehen..


 

15.11.2004:

EBM Einem neuen Cochrane Review zufolge liegen aktuell 15 Studien vor, in denen Strategien zur Behandlung von Antidepressiva induzierten Sexualstörungen evaluiert wurden. Diesem Review zufolge scheint Sildenafil (und eventuell Tadalafil, hierzu jedoch nur 1 Studie) bei erektilen Dysfunktionen wirksam zu sein (Evidenzstufe 1a: Rudkin et al., 2004; Cochrane Review). In zwei Studien wurde gezeigt, dass sich durch Bupropion das sexuelle Begehren steigern lässt. In einer weiteren Studie konnte dieser positive Effekt jedoch nicht bestätigt werden. Einschränkend verweisen die Autoren auf die spärliche Datenlage, die nur für das Sildenafil eine metaanalytische Auswertung zuließ.

Kommentar:

Sexuelle Funktionsstörungen unter Behandlung mit Antidepressiva sind häufig und werden vor allem nach Besserung oder Remission der akuten depressiven Symptomatik, also während der Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe, relevant. In dieser Phase gefährden sexuelle Funktionsstörungen erheblich die Medikamenten-Compliance und damit den Prophylaxeerfolg, sie werden aber häufig aus Scham verschwiegen. Ein konkretes aber empathisches Erfragen dieser unerwünschten Nebenwirkungen ist daher bei beiden Geschlechtern (!!) notwendig. Bedauernswerterweise sind die medikamentösen Möglichkeiten zur Behandlung begrenzt, wie auch durch diesen Cochrane-Review nochmals deutlich wird. Leider ist das (neben dem wohl nur für erektile Dysfunktion bei Männern wirksamen Sildenafil) noch am ehesten erfolgversprechende Bupropion in Deutschland nur zur Raucherentwöhnung („Zyban“), aber nicht als Antidepressivum zugelassen (vgl. dazu auch die Studie von Segraves et al 2004 zum Einfluß von Bupropion auf die Sexualfunktionen von Frauen, die nicht mit Antidepressiva behandelt wurden).

22.11.2005:

EBM Eine Kombinationsbehandlung (Antidepressivum + Antipsychotikum) ist bei der Behandlung psychotischer Depressionen nicht wirksamer als eine ausschließlich antidepressive Medikation, die Kombination war jedoch als wirksamer als eine ausschließlich antipsychotische Medikation. Die Drop out Raten differenzierten nicht zwischen den verschiedenen Behandlungsstrategien (Evidenzstufe 1a: Wijkstra et al., 2005; Cochrane Review). Eingeschränkt werden diese Befunde durch die dürftige Datenlage (nur 10 randomisierte, kontrollierte Studien), die nur in wenigen Fällen die Durchführung einer Metaanalyse erlaubte. Basierend auf diesen Befunden favorisieren die Autoren zunächst die Behandlung mit einem Antidepressivum, das bei unzureichender Wirksamkeit durch ein Antipsychotikum ergänzt werden sollte.

Kommentar:

Dieser neue Cochrane Review bestätigt nochmals die im Lehrbuch bereits aufgrund einer älteren Metaanalyse so dargestellte Befundlage, dass die gegenwärtig verbreitete Praxis einer Therapie der psychotischen Depression durch gleichzeitige Gabe eines Antidepressivums und eines Neuroleptikums durch die vorhandenen Daten nur unzureichend gestützt wird. Unter Berücksichtigung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) der Neuroleptika und dieser Datenlage kommen die Autoren zu der Empfehlung, zunächst einen Versuch einer Behandlung nur mit einem Antidepressivum zu machen, bevor die nebenwirkungsreichere Kombinationstherapie eingesetzt wird. In dieser Metaanalyse konnte aber nur eine einzige Studie mit einem neueren Antipsychotikum (Olanzapin) berücksichtigt werden, weitere Studien mit neueren Antipsychotika mit potenziell weniger UAW und evtl. anderem Wirkungsspektrum werden derzeit durchgeführt und könnten die Datenlage in der näheren Zukunft deutlich verändern.



Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe:
 

01.11.2004:

EBM Einem neuen, qualitätsüberprüften Review zufolge läßt sich durch eine Lithiumdauermedikation das Suizidrisiko für Patienten mit affektiven Störungen (insbesondere bipolaren Störungen) um ein 5,5-faches reduzieren. Für nicht mit Lithium behandelte Patienten wurde eine Suizidrate von 1,02%/Jahr gefunden, unter einer Lithiumdauermedikation lag diese Rate mit 0,15% signifikant niedriger (Tondo et al., 2001, qualitätsüberprüfter Review).

Kommentar:

Die Frage, ob eine prophylaktische Behandlung mit Lithiumsalzen einen spezifischen antisuizidalen Effekt hat, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Ursache der anhaltenden Debatte ist einerseits die hohe Relevanz der Frage, andererseits das aus ethischen und praktischen Gründen kaum zu lösende Problem, diese Frage mit Hilfe prospektiver, randomisierter und verblindeter Studien nach Kriterien der EBM eindeutig zu beantworten. Der hier vorgestellte qualitätsüberprüfte Übersichtsartikel faßt den Stand der Studien zum Zeitpunkt von vor 4 Jahren zusammen. Eine sehr umfangreiche kürzlich erschienene retrospektive Untersuchung unter Verwendung von Computer gestützten Datenbanken von über 20 000 Fällen (Goodwin et al., 2003) hat die Debatte erneut angefacht (Baldessarini und Tondo, 2003; Bowden und Fawcett, 2004; Yerevanian et al., 2004; Joffe, 2004). Besonders provozierend an dieser Studie (Goodwin et al., 2003) war nicht so sehr die erneute Bestätigung der suizid-prophylaktische Wirkung einer Lithiumtherapie, sondern vor allem der Befund, daß unter Therapie mit Lithium die Rate an Suiziden und Suizidversuchen deutlich geringer war als unter Behandlung mit Valproat. Dieses Resultat stellte die besonders in den USA in den letzten Jahren besonders populär gewordenen Behandlung mit Valproat in Frage, und ist daher heftig umstritten (Baldessarini und Tondo, 2003; Bowden und Fawcet, 2004; Yerevanian et al., 2004; Joffe, 2004). Die dringend notwendigen prospektiven Untersuchungen zur Klärung der nach wie vor umstrittenen Frage, ob Valproat eine rezidivprophylaktische Wirkung hat, sollten daher auch diesen Aspekt berücksichtigen.



Lichttherapie:
 

01.05.2004:

EBM Einem neuen systematischen Review zufolge ist Lichttherapie auch bei nicht saisonalen depressiven Störungen wirksam. Die Studienpatienten erhielten in der Regel neben der Lichttherapie ein Antidepressivum oder unterzogen sich einer Schlafentzugsbehandlung. Lichttherapie erwies sich unter einer Schlafentzugsbehandlung, sowie bei morgendlicher Verabreichung als signifikant effektiver als die Kontrollbedingung (meist abgeschwächtes Licht), wobei insbesondere während der ersten Behandlungswoche positive Effekte erzielt wurden. Dauer und Intensität der täglichen Exposition haben keinen Einfluß auf die Wirksamkeit. Hypomanie als mögliche Nebenwirkung sollte beachtet werden. (Evidenzstufe 1a: Tuunainen et al. 2004, Cochrane Review).

Kommentar:

Das wesentlichste Problem bei allen Studien zur Wirksamkeit von Lichttherapie ist die Unmöglichkeit einer tatsächlich doppelblinden Durchführung. Die meist gewählte Kontrollbehandlung ist abgeschwächtes („dim“) Licht, das natürlich von den Patienten als Placebo identifiziert werden kann. Insofern sind Placebo-Effekte die wichtigsten Störfaktoren bei diesen Studien. Patientengruppen, bei denen mit nur geringem Placebo-Effekt zu rechnen ist (schwere und chronifizierte Verläufe) sind leider noch sehr unzureichend untersucht. Als adjuvante Therapie kann aber der Einsatz von Lichttherapie trotz der noch unbefriedigenden Datenlage sinnvoll sein, insbesondere bei Patienten, die auf Schlafentzug initial angesprochen haben.



Akuttherapie der Depression

- Wirksamkeit von Amitriptylin:
 

01.09.2003:

EBM Einem neuen systematischen Review zufolge ist Amitriptylin etwas wirksamer (number needed to treat (NNT) = 50) als andere trizyklischen Antidepressiva und SSRIs zusammengenommen, die Behandlung geht jedoch mit mehr unerwünschten Nebenwirkungen einher. Insbesondere stationär behandlungsdedürftige Depressive profitieren stärker von Amitriptylin (NNT = 24), bei ambulanten Patienten ist diese Überlegenheit nicht nachweisbar. Nebenwirkungen treten in der Subgruppe der stationär behandelten Patienten nicht verstärkt auf. Inwieweit eine Überlegenheit von Amitriptylin bei den stationär behandelten Patienten auch in der anschließenden Erhaltungstherapie und evtl. einer Rezidivprophylaxe vorhanden ist, bleibt ungeklärt, da die mittlere Follow-up-Zeit aller Studien nur 5 Wochen beträgt.(Evidenzstufe 1a: Guaiana et al. 2003, Cochrane Review).

Kommentar:

Dieser Befund bestätigt und erweitert die Ergebnisse der etwas älteren Metaanalyse von Anderson (2000), auf die im Lehrbuch Bezug genommen wurde. Diese neue Metaanalyse macht aber auch deutlich, daß zumindest im ambulanten Bereich die geringere Rate unerwünschter Wirkungen und die dadurch bedingte geringere Therapie-Abbruchquote von SSRI‘s den Vorteil von Amitriptylin nahezu wieder ausgleicht, so daß insgesamt die Responderraten kaum unterschiedlich sind. Bei schwer depressiven stationär behandlungsbedürftigen Patienten vom melancholischen („somatischen“) Subtyp könnte die bessere Wirksamkeit von Amitriptylin aber durchaus klinisch relevant sein, zumal bei diesen Patienten nach übereinstimmenden Ergebnissen beider Metaanalysen (Anderson 2000, Guaiana et al 2003) auch die Abbruchquote nicht höher ist als unter Behandlung mit SSRIs.



Akuttherapie der Depression
- Dosierung von Antidepressiva:
 

01.09.2003: 

EBM Einem neuen systematischen Review zufolge sind Antidepressiva auch in niedrigen Dosen (zwischen 75 und 100mg/Tag) wirksamer als Placebo und diese niedrigen Dosen scheinen - bei geringerer drop-out Rate - sogar vergleichbar wirksam zu sein wie eine Standarddosierung (Evidenzstufe 1a: Furukawa et al. 2003, Cochrane Review).

 

Im Lehrbuch wurde auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Metaanalysen und qualitätsüberprüften Reviews (z.B. Bollin et al. 1999) und der Empfehlungen von international akzeptierten Therapieleitlinien (z.B. APA 2000) die „Standarddosierung“ von 100-200 mg pro Tag als Richtdosis genannt. Auf der Grundlage dieser neuen, qualitativ hochwertigen Metaanalyse kann auch der Einsatz niedrigerer Dosierungen (75-100 mg) gerechtfertigt werden. Aber auch die Autoren dieser Metaanalyse betonen, daß die methodischen Probleme der in die Analyse eingegangenen Studien keine eindeutige Aussage darüber erlauben, inwieweit eine Niedrigdosistherapie einer Standarddosistherapie tatsächlich gleichwertig ist. Die eingenommene Dosis ist ja nur ein sehr ungefährer Anhaltspunkt für den durch die individuell unterschiedliche Pharmakokinetik bedingten Plasmaspiegel, der letztlich resultierenden wirksamen Konzentration im Gehirn und den individuellen, pharmakodynamischen Wirkungen. Der Kliniker muß daher nach wie vor die Dosis individuell nach dem Verhältnis von klinisch erwünschten Wirkungen zu unerwünschten Nebenwirkungen anpassen. Plasmaspiegelbestimmungen zu Beginn einer Therapie können Hinweise auf Über- oder Unterdosierung geben.



Akuttherapie der Manie:
 

01.09.2003:

EBM Einem neuem systematischen Review zufolge ist Olanzapin wirksam in der Behandlung der akuten Manie, wobei die Wirksamkeit als Monotherapie und in Kombination mit Valproat oder Lithiumsalzen im Vergleich zu Placebo überprüft wurde. Die Wirksamkeit von Olanzapin im Vergleich zu Valproat oder Lithiumsalzen wird von den Autoren aufgrund der unzureichenden Datenlage als noch unzureichend empirisch abgesichert beurteilt. Es gibt jedoch einige Hinweise, dass die antimanische Wirkung von Olanzapin stärker ist als die von Valproat. Problematische unerwünschte Wirkungen von Olanzapin sind die Gewichts-zunahme, Somnolenz und gestörte Glucosetoleranz (Evidenzstufe 1a: Rendell et al. 2003; Cochrane Review).

Kommentar:

Die Wirksamkeit von Olanzapin in der Behandlung der akuten Manie war im Lehrbuch mit den zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Studien belegt worden. Dieser neue Cochrane Review bietet nun eine noch eine bessere methodische Absicherung dieser Aussage durch eine metaanalytische Auswertung sämtlicher randomisierten kontrollierten Studien.


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