Cochrane Reviews / Kommentare
Kapitel 11: Schizophrenien und andere psychotische Störungen
Psychopharmakotherapie: Benzodiazepine:
15.03.2007: |
EBM Aufgrund der Datenlage lassen sich gegenwärtig keine empirisch gesicherten Empfehlungen für eine Behandlung mit Benzodiazepinen aussprechen (Volz et al., 2007, Cochrane Review). Am ehesten ließen sich die bekannten Sedierungseffekte von Benzodiazepine sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit Antipsychotika zeigen. Offen blieb die Frage, ob Benzodiazepine in Kombination mit einem Antipsychotikum einen augmentativen Effekt auf die Symptome der Schizophrenie haben. Die für diesen Review vorliegenden Daten erlaubten vielfach keine metaanalytische Auswertung, so dass die Autoren weiteren Forschungsbedarf reklamierten. |
Psychopharmakotherapie: Unerwünschte Begleitwirkungen:
15.03.2007: |
EBM Da Antipsychotika
zu teilweise erheblichen Gewichtszunahmen führen, wurde in einem Cochrane Review
die Wirksamkeit von pharmakologischen und psychologischen Interventionen zur
Reduktion dieser unerwünschten Nebenwirkung evaluiert. Durch kognitive
Verhaltenstherapie in der Gruppe ließ sich die Gewichtszunahme um etwa 7%
reduzieren. Verhaltenstherapeutische Strategien haben sich bei einer akzeptablen
Compliance damit als eine wirksame Intervention gegen eine medikamentös bedingte
Gewichtszunahme erwiesen. Dieser Befund stützt sich jedoch auf nur wenige
Studien und belastbare Daten, die die Wirksamkeit auch für den Langzeitverlauf
belegen, stehen aus. |
Psycho- und Soziotherapie:
12.03.2007: |
EBM In einem neuen
Cochrane Review (Buckley und Pettit, 2007, Cochrane Review) wurde die
Wirksamkeit von supportiver Therapie untersucht. Supportive Therapie wurde
definiert als eine Behandlung deren Ziel darin besteht, das erreichte
Funktionsniveau zu erhalten und prämorbide Ressourcen zu aktivieren. Zwischen
supportiver Therapie und einer Standardbehandlung ergaben sich keine
Unterschiede im Hinblick auf Wiedererkrankungs-, Hospitalisierungsraten,
klinische Verbesserungen und drop out Raten. Durch andere psychologische
Therapien (22 Studien, 12 davon KVT) ließen sich Hospitalisierungsraten und die
allgemeine psychische Befindlichkeit jedoch günstiger beeinflussen als durch
supportive Therapie. Patienten, die mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT)
behandelt wurden, wiesen im Kurz- und Langzeitverlauf ein signifikant besseres
Funktionsniveau auf als Patienten die supportive Therapie erhielten. Darüber
hinaus waren die Patienten mit einer KVT auch zufriedener. |
Familientherapie:
S. 507 |
EBM Durch Einbezug der Familie in die Therapie lassen sich Rückfallraten medizierter schizophrener Patienten zumindest während eines Follow-up Intervalls von einem Jahr deutlich reduzieren (Evidenzstufe 1a: Pharaoh et al. 2002, Cochrane Review). Weitere, weniger robuste positive Ergebnisse fanden sich hinsichtlich Compliance und „high expressed emotions“. |
15.12.2006: |
EBM In einer Aktualisierung dieses Reviews ließ sich die Wirksamkeit von Familientherapie im Hinblick auf Rückfallhäufigkeit, Medikamentencompliance und einer Verbesserung des Familienklimas bestätigen. Basierend auf diesem vergrößerten Datensatz konnte nun aufgezeigt werden, dass sich durch den Einbezug der Familie stationäre Wiederaufnahmen signifikant reduzieren lassen (Evidenzstufe 1a: Pharaoh et al. 2006, Cochrane Review). Aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten des vorliegenden Datenmaterials werden von den Autoren jedoch weitere randomisierte, kontrollierte Studien gefordert, um diese Befunde empirisch abzusichern. |
Psychopharmakotherapie:
18.12.2006: |
EBM Da ein Fünftel bis ein Drittel aller schizophrener Patienten auf eine antipsychotische Medikation nicht ansprechen, ergibt sich die Notwendigkeit einer alternativen medikamentösen Intervention. Im Rahmen eines neuen Cochrane Reviews wurde bei Patienten, die nicht auf ein Antipsychotikum angesprochen haben, die Wirksamkeit einer Kombinationsbehandlung (Lamotrigen + Antipsychotikum) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (Antipsychotikum + Placebo) untersucht. Patienten, die zusätzlich Lamotrigen erhielten wiesen signifikant niedrigere Werte in der PANSS auf, wobei sich sowohl Positiv- wie auch Negativsymptome rückbildeten. In Bezug auf das globale Klinikerurteil und die Anzahl von Non-Respondern ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Einschränkend muss jedoch konstatiert werden, dass diese Befunde auf einer einzigen Studie basieren. Unter der Lamotrigenbehandlung wurden signifikant häufiger unerwünschte Nebenwirkungen, insbesondere Übelkeit, berichtet (Premkumar und Pick, 2006, Cochrane Review). Aufgrund der unzureichenden Datenlage betrachten die Autoren die vorliegenden Befunde jedoch als gegenwärtig nicht robust. |
11.09.2006: |
EBM Die Kombination eines Antipsychotikums mit einem Antidepressivum reduziert einem neuen Cochrane Review zufolge signifikant die Negativsymptomatik einer Schizophrenie, wobei diese Strategie jedoch mit ausgeprägten Nebenwirkungen einhergeht. Aufgrund der geringen Zahl der einzelnen Studien und eingeschlossenen Patienten kann dieses Ergebnis aber noch nicht als robust angesehen werden (Rummel et al, 2006, Cochrane Review). |
Nichtmedikamentöse Therapien:
06.06.2005: |
EBM In einem Cochrane Review, der auf vier randomisierten Studien basiert, wurde der Effekt von Musiktherapie (zusätzlich zur Standardbehandlung) bei schizophrenen Patienten untersucht. Es fanden sich signifikante Effekte auf das allgemeine psychische Befinden, die Psychopathologie (insbesondere Negativsymptome) und das Sozialverhalten. Musiktherapie ist daher eine vielversprechende Zusatztherapie bei schizophrenen Patienten. Der geringe Stichprobenumfang in den bislang vorliegenden randomisierten Studien erlaubt aber wohl noch keine Verallgemeinerung (Evidenzstufe 1a: Gold et al., 2005; Cochrane Review). |
Antipsychotische Therapie:
09.03.2005: |
EBM In einem qualitätsüberprüften Review wurde die Wirksamkeit von zehn "atypischen" Antipsychotika im Vergleich zu konventionellen Antipsychotika untersucht. 124 Studien wurden in die Metaanalyse eingeschlossen. Clozapin, Amisulprid, Risperidon und Olanzapin waren signifikant wirksamer als konventionelle Antipsychotika. Aripiprazol, Sertindol, Quetiapin, Ziprasidon und Remoxiprid erwiesen sich als ähnlich wirksam wie konventionelle Antipsychotika (Evidenzstufe 1a: Davis et al. 2003, qualitätsüberprüfter Review). |
Kommentar: |
Davis und Kollegen interpretieren ihre Befunde so, dass die "Atypika" keine homogene Gruppe darstellen, sondern dass es Wirksamkeitsunterschiede gibt. Dies ist möglich, aber mit einer solchen Metaanalyse, die Präparate mittels ihrer Effektstärken im Vergleich zu Haloperidol vergleicht, nicht mit Sicherheit ableitbar. Vielmehr können Patientencharakteristika oder methodische Unterschiede der Studien zu den unterschiedlichen Effektstärken geführt haben. |
01.05.2004: |
EBM Aripiprazol ist bei der Behandlung schizophrener, schizopheniformer und schizoaffektiver Störungen vergleichbar wirksam wie konventionelle und andere neue Antipsychotika. Schlafstörungen traten jedoch häufiger auf als bei einer Behandlung mit konventionellen Antipsychotika. Im Vergleich mit anderen neuen Antipsychotika (Olanzapin, Risperidon) scheint das Risiko für einen Prolaktinanstieg und eine Verlängerung des QTc Intervalls geringer zu sein. Diese Befunde werden jedoch eingeschränkt durch eine hohe Rate von Studienabbrechern in allen behandelten Subgruppen (etwa 50%) und durch das kurze Beobachtungsintervall (meistens nur 12 Wochen) (Evidenzstufe 1a: El-Sayeh und Morganti, 2004, Cochrane Review). |
Kommentar: |
Aripiprazol ist ein neues, in Deutschland seit Juni 2004 zugelassenes Antipsychotikum, das über einen besonderen Wirkmechanismus verfügen soll. Es wird als partieller Agonist an Dopamin-D2 und Serotonin 5-HT1A Rezeptoren sowie als ein Antagonist an Serotonin 5-HT2A Rezeptoren beschrieben. Auf diese Weise soll es als Antagonist zu viel Dopamin, das zu psychotischen Symptomen führt, reduzieren und andererseits als Agonist Autorezeptoren in Arealen, in denen zu wenig Dopamin zu EPS und zu einer Prolaktinerhöhung führen würde, stimulieren. Diese psychopharmakologische Modellvorstellung muß noch weiter wissenschaftlich untermauert werden. Mit einer baldigen Zulassung von Aripiprazol ist zu rechnen. |
Psychopharmakotherapie:
Augmentierungsstrategien:
01.02.2004: |
EBM
In einem Cochrane Review fanden sich nur einige wenige Studie über die Zugabe
von Valproinsäure zu Antipsychotika. Obwohl einige Studien gewisse Effekte auf
einzelne Aspekte der Psychopathologie und die bislang größte und methodisch
beste Studie ein schnelleres Ansprechen auf die Therapie im Vergleich zur
antipsychotischen Monotherapie fanden, ergab sich metaanalytisch keine
Verbesserung der Gesamtsymptomatik am Studienende. Hormontherapie |
22.11.2005: |
EBM In einem neuen Cochrane Review (Chua et al. 2005) wurde der Effekt von Oestrogen bzw. einer Plazebobehandlung (jeweils zusätzlich zur Standardbehandlung) bei schizophrenen und schizophrenieformen Patienten untersucht. Bezogen auf das allgemeine psychische Befinden ergaben sich keine signifikanten Gruppenunterschiede, die Abbruchraten waren mit etwa 5% niedrig und differenzierten nicht zwischen den Behandlungsgruppen. Aufgrund der spärlichen Datenlage in Verbindung mit gravierenden methodischen Mängeln der verfügbaren Studien (nur die drop out Daten erlaubten die Durchführung einer Metaanalyse) und den überwiegend negativen Einzelbefunden kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine zusätzliche Hormontherapie nicht allgemein empfohlen werden. |